Halsdicke und Ausschwingverhalten
Bevor das überschüssige Holz von dem noch ziemlich rohen Halsklotz abgesägt wird, steht wieder einmal die Überlegung an, wie der finale Hals denn geformt sein soll. Man sagt, je dicker der Hals, desto fetter der Ton. Damit ist das An- und Ausschwingverhalten des Holzes gemeint. Ein leichter Hals mit weniger Holz lässt sich durch die Vibration der Saiten schneller in Schwingung versetzen als ein schwerer Hals. Dafür schwingt ein dicker Hals länger nach und lässt die Saiten dadurch ebenfalls länger schwingen. Les Paul Gitarren sind bekannt für dicke Hälse, siehe auch weiter vorne im Bericht. Also werde ich wohl einen dicken Hals haben.
Üblicherweise gibt es zwei Stellen, an denen die Dicke gemessen wird: am 1. und am 12. Bund. Gängige Werte liegen zwischen 20 und 24 mm. Die Auflagepunkte zum Messen sind die Oberseite des Griffbretts und die Unterkante des Halses. Später, wenn die Gitarre fertig ist, misst man natürlich auf dem Griffbrettholz, nicht auf den Bünden. Die Dicke ist leicht ansteigend; am 12. Bund sollte sie etwa 2 mm mehr haben als am 1. Bund.
Ich habe mich für eine Dicke von 21 mm entschieden, die auf 23 mm ansteigt. Das geht in Richtung einer Les Paul der 50er Jahre, die für eher dicke Hälse bekannt sind. Zum Vergleich:
Eine LP Standard 60s hat 20,3 auf 23 mm bzw. 20 auf 22 mm in der „thin“ Version. Dieser Unterschied dürfte wohl kaum spürbar sein.
Ausschlaggebender für das „fette“ Greifgefühl in der Hand ist eher das Profil als die reine Dicke des Holzes. Man bezeichnet das Profil mit Buchstaben, da es ihnen recht ähnlich sieht. Ein V- oder C-Profil ist eher flach, während das runde D-Profil die Hand füllt. Ich habe mich für ein C-Profil entschieden, genug Holz hat der Hals ja.
Um aus dem Kantholz mit Griffbrett einen geformten Gitarrenhals zu machen, ist als nächstes ausgiebiges Feilen angesagt. Zunächst (und eigentlich bis ganz zum Schluss) wird eine Mittellinie aufgezeichnet. Hört sich einfacher an, als es ist. Da wir hier von halben Millimetern sprechen und allein der Bleistift schon eine etwa millimeterdicke Linie zieht, ist hier viel Sorgfalt angesagt und der Bleistiftspitzer wird zum besten Freund.
Anschließend werden weitere Linien gezogen, die markieren, bis wohin gefeilt werden muss. Dafür halbiert man sowohl die Strecke auf der Oberseite (Mittellinie bis Rand) als auch auf den Seiten (Hälfte zwischen Griffbrett und Unterkante). Nun wird zwischen diesen beiden Linien im 45 Grad Winkel das Holz weggeraspelt. Hierbei immer gut aufpassen, eine glatte Fläche mit klar definierten Kanten zu erhalten. Denn im folgenden Schritt wird zwischen den entstandenen Kanten wieder gefeilt, diesmal natürlich im flacheren Winkel. Das Griffbrett wird hierbei nie berührt, man kann bis 1 mm herangehen. Der Übergang zur Kopfplatte ist meinem Fall eine auslaufende, V-förmige Kante, die an den unteren Ecken der Kopfplatte endet.
Nach dem Feilen wird wieder ausgiebig geschmirgelt. Zunächst mit grobem 100er Papier die letzten Kanten abrunden, danach mit 250er und 400er längs jede verbliebene Unebenheit wegsanden. Zwischendurch immer mal wieder den Hals unter das Licht halten und um die Längsachse drehen: dort, wo sich der Schatten hart bricht, ist noch eine Kante. Sind schließlich alle Kanten, Feil- und Schleifspuren beseitigt, ist diese Baustelle erstmal fertig.